Öffentlicher Personennahverkehr einmal anders

Für öffentlichen Oralverkehr zur Mittagszeit in einer Berliner S-Bahn wurde jüngst ein Pärchen vom Amtsgericht Berlin zu einer Geldstrafe von insgesamt 7.500 Euro Strafe verurteilt.

Das Schäferstündchen ereignete sich auf der S-Bahnstrecke in der Berliner Innenstadt. Fahrgäste, darunter auch Kinder, hätten das Geschehen ungehindert beobachten können. Zeugen mischten sich ein. Es kam zu einem heftigen Streit mit Handgreiflichkeiten. Schließlich zog ein Fahrgast die Notbremse und beendete das frivole Treiben. Polizisten nahmen das Paar fest, so die Feststellungen des erkennenden Berliner Amtsgerichts. Die 37-jährige Frau wurde wegen Erregung öffentliches Ärgernisses zu einer Geldstrafe von 3900 Euro, der 39-jährige Mann zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt.

Die Erregung öffentlichen Ärgernisses ist in Deutschland eine Straftat und in § 183a StGB normiert. Nach dieser Vorschrift wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wenn die Tat nicht (schon) in § 183 StGB (exhibitionistische Handlungen) mit Strafe bedroht ist. Grundsätzlich verboten ist der Geschlechtsverkehr in der Öffentlichkeit hingegen nicht. Erst wenn jemand Drittes sich durch die sexuelle Handlung unmittelbar belästigt sieht, stehen sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit unter Strafe. Dies wird in der Regel bei der unvorhersehbaren sexuellen Konfrontationen in der Öffentlichkeit wie im oben aufgeführten Beispiel angenommen. Keine Erregung öffentlichen Ärgernisses ist es dagegen, wenn die Wahrnehmung an Orten erfolgt, an denen mit sexuellen Handlungen zu rechnen ist (etwa in einschlägigen Lokalen oder Parks mit bekannten nächtlichen Aktivitäten) selbst wenn die jeweilige konkrete sexuelle Wahrnehmung ein Ärgernis bereitet (z. B. weil diese hinter den voyeuristischen Erwartungen des Wahrnehmenden zurückbleibt).

„Sozialübliche“ Praktiken wie z. B. der Austausch von Zärtlichkeiten wie z. B. (auch französische) Küsse sind übrigens vom Straftatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses nicht erfasst. Um nämlich ein Ausufern der Strafbarkeit zu vermeiden, werden von § 183a StGB in Verbindung mit 184h Nr. 1 StGB nur erhebliche sexuelle Handlungen erfasst. Wann von einer erheblichen sexuellen Handlung auszugehen ist, lässt sich nur vor dem Hintergrund sozio-kultureller Auffassungen bestimmen. Die juristische Kommentierung zu dieser Frage liest sich mitunter wie eine Kolumne von Dr. Sommer (BRAVO). So sollen das Berühren des (nackten) Oberschenkels, das Streicheln vom Rücken zum Po (teilweise unter der Kleidung), kurze Umarmungen auch bei entblößten Körperteilen, der flüchtige Griff an die Genitalien über den Kleidern, das kurze Anfassen der Brust einer Frau keine erheblichen sexuellen Handlungen darstellen.

Nicht zuletzt stellt die Rechtsprechung zur Beurteilung der Erheblichkeit vor allem auf die Dauer der sexuellen Handlung ab. Aus diesem Grund bietet es sich für (insbesondere männliche) Beschuldigte daher ausnahmsweise einmal an, auf Eitelkeiten zu verzichten und den sexuellen Akt herunterzuspielen. Um sicher einer Strafverfolgung aufgrund von § 183a StGB zu entgehen, sollten jedoch noch besser Vorsichtsmaßnahmen getroffen und vor allem entlegenere Orte in der Öffentlichkeit aufgesucht werden, getreu dem Motto „Wo kein Kläger, da kein Richter“.