Zu früh gefreut: legal highs doch nicht legal.

Die Reform der Tötungsdelikte

Oder: was ist eigentlich ein Mord?

Wir müssen Sie enttäuschen. Mord ist nicht einfach ein Totschlag, der geplant war. Auf eine Planung kommt es eigentlich überhaupt nicht an. Der Mord soll vielmehr besonders verwerfliche Tötungen erfassen. Der derzeit gültige § 211 StGB ist kompliziert:

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
  • aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
  • heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
  • um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

 

Eine vom Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eingesetzte Kommission hat nun einen Bericht und einen Reformvorschlag vorgelegt:

Mord soll künftig nicht mehr automatisch mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden. Die tatbestandlichen Beschreibungen der Täter als „Mörder“ und als „Totschläger“ sollen zukünftig entfallen. Das besonders problematische Mordmerkmal der Heimtücke soll, wenn leider nicht abgeschafft, so doch modifiziert werden. Für minder schwere Fälle des Mordes, etwa „wenn der Täter aus Verzweiflung“ handelte, „um sich oder einen ihm nahestehenden Menschen aus einer ausweglos erscheinenden Konfliktlage zu befreien“ oder durch eine „schwere Beleidigung“ oder „Misshandlung (…) zum Zorn gereizt“ wurde oder von einer „vergleichbar heftigen Gemütsbewegung“ betroffen war, soll das Strafmaß auf dasjenige des Totschlags reduziert werden. Das Merkmal niedrige Beweggründe soll in „besonders verwerfliche Beweggründe“ umformuliert werden und explizit auch rassistische und fremdenfeindliche Motive einbeziehen.

Die Kritik an dem Vorschlag ließ insbesondere in den Reihen der CDU nicht lange auf sich warten: Die Reform sei überflüssig und für das höchste Rechtsgut, das Leben, dürfe die lebenslange Freiheitsstrafe nicht relativiert werden, so sinngemäß der bayerische Justizminister Bausback. Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) ist skeptisch: „Wir sind 60 Jahre mit dem Mordparagrafen gut gefahren, und alle Verwerfungen, die es auch mal geben kann, haben in der Vergangenheit die Gerichte gelöst.“ Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) erklärte, es gebe wichtigere rechtspolitische Herausforderungen, etwa den Kampf gegen Internetkriminalität oder die Bekämpfung der Kinderpornografie.

Wir haben uns die Kritik einmal genauer angeschaut:

1. „Die Reform ist überflüssig“

Einer, der es wissen muss, nämlich der Vorsitzende des zweiten Strafsenates des Bundesgerichtshofes, Prof. Fischer hat sich kürzlich wie folgt geäußert: „Im Justizalltag weiß heute kaum jemand ganz genau, was er mit den sogenannten Mordmerkmalen anfangen soll“. Beispielsweise  was das Mordmerkmal Heimtücke betrifft: „Warum aber soll die Tötung mit Gift oder im Schlaf unbedingt die Höchststrafe verlangen, ohne jede Milderungsmöglichkeit? Jeder weiß doch, wie oft die „heimtückische“ Tötung eine Tat der Schwachen, der Unterlegenen, der Gequälten ist. Wie anders als von hinten oder im Schlaf soll eine jahrzehntelang misshandelte und drangsalierte Frau den Familientyrannen erschlagen? Warum soll heute noch das überkommene Zerrbild eines „mannhaften“ Kampfs privilegiert werden?“

2. „Für das höchste Rechtsgut, das Leben, darf die lebenslange Freiheitsstrafe nicht relativiert werden“

Das Leben als das höchste Rechtsgut wird durch eine Vielzahl von Tatbeständen geschützt. Fast alle anderen Straftatbestände sehen aber gerade keine lebenslange Freiheitsstrafe vor (z.B. fahrlässige Tötung, § 222 StGB: maximal 5 Jahre; Totschlag, § 212 StGB: maximal 15 Jahre). Zudem dauert die „lebenslange“ Freiheitsstrafe tatsächlich im Durchschnitt nicht lebenslang, sondern ungefähr zwanzig Jahre. Der Schutz des Lebens ist also bereits relativ, das Argument schlicht: unsinnig.

3. „Wir sind 60 Jahre mit dem Mordparagrafen gut gefahren“

Es handelt sich dabei um einen der sogenannten „drei Grundsätze unserer Verwaltung“:

  1. Das haben wir immer so gemacht!
  2. Das haben wir noch nie gemacht!
  3. Da könnte ja jeder kommen!

Eigentlich mehr ein CSU-Argument. Überzeugt auch eher nur in Bayern. Gerade im vorliegenden Fall ist das Argument der „guten Tradition“ aber besonders fragwürdig. Tatsächlich wurde der Mordparagraf in seiner jetzigen Form nämlich nicht vor 60 Jahren, sondern 1941 eingeführt. Vor 60 Jahren, genauer am 01. Oktober 1953, wurde lediglich das Strafmaß ausgetauscht: Statt Todesstrafe „nur“ noch lebenslange Freiheitsstrafe. 1941 herrschten aber bekanntlich die Nazis, die Formulierung stammt zudem aus der Feder des heutzutage besonders schlecht beleumdeten Herrn Freisler. Der hat dann später als Vorsitzender des Volksgerichtshofes angebliche Volksverräter ohne Gürtel oder Hosenträger zusammen geschrien und auch sonst wenig Rücksicht auf Rechte oder gar Menschenrechte genommen – und aufgrund eben dieses Paragrafen ungefähr 2600 Menschen in den Tod geschickt. Dabei half nicht zuletzt die schwammige und täterbezogene Formulierung.

Da macht man aus 75 Jahren doch lieber 60.

4. „Es gibt wichtigere politische Herausforderungen“

Das mag sein. Es spielt nur keine Rolle. Denn das Prioritätsargument ist nur dann gültig, wenn die entsprechenden Kapazitäten begrenzt sind, wenn man mit anderen Worten entscheiden muss: mache ich das oder das. Beispielsweise: baue ich ein neues Gefängnis oder stecke ich das Geld lieber in Prävention? Herr Maas brütet aber nicht selbst über der Reform – dann könnte man noch sagen: er kann ja nur zwanzig Stunden am Tag, also nicht alles machen – sondern er setzt genau für diese Frage eine Kommission ein. Und wenn er meinte, die Kinderpornografie könne man durch eine Reform eines Gesetztes „bekämpfen“, dann würde er eben eine andere Kommission einsetzen. Ein entweder oder gibt es folglich nicht.

Ergänzen könnte man noch, dass die Freiheitsstrafe, zumal die lebenslange Freiheitsstrafe, den stärksten Eingriff des Staates in das Leben des davon betroffenen Bürgers darstellt. Man isst,  wenn’s dumm läuft, für den  Rest seines Lebens Gefängnis-, ergo Kantinenkost. Ein Spaziergang im Wald ist im Zweifel auch nie mehr drin. Wir meinen, da könne man vom Staat durchaus erwarten, dass er sich alle 75 Jahre mal ein paar Gedanken macht.

Sollten Sie Fragen zu den Tötungsdelikten haben, helfen Ihnen unsere Fachanwälte für Strafrecht Michael Bernard und Timo Korn gerne weiter.