Staatshilfen und Schadensersatz – Covid-19-Beihilfen für den Prozessgegner? Nein.

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen, die in Folge der Covid-19-Pandemie und der staatlichen Gegenmaßnahmen gegen diese in Schieflage geraten sind, sind allgegenwärtig.

So stellt allein der Bund bis zu 50 Milliarden € für bis zu 3 Millionen Kleinstunternehmen und Selbständige mit bis zu 10 Beschäftigten zur Verfügung – in Abhängigkeit von der Beschäftigtenzahl bis zu 15.000,– € im Einzelfall – um die durch Liquiditätsengpässe gefährdete wirtschaftliche Existenz der Betroffenen zu sichern.

Diese Hilfen sind vom Bund ausdrücklich als Zuschüsse ausgestaltet und unterliegen zwar der Steuerpflicht, sind aber als Einnahmenersatz gedacht und nicht zurückzuzahlen.

Darüber hinaus gewähren die Länder weitere Soforthilfeleistungen an Betroffene, die allerdings zumeist auf Darlehensbasis gewährt werden.

So gewährt der „Zukunftsfonds Starke Wirtschaft Rheinland-Pfalz“ der bereits durch den Bundeszuschuss geförderten Personengruppe zusätzliche – sehr zinsgünstige – Kredite im Umfang von bis zu 10.000,– €. Größere Kleinunternehmen mit bis zu 30 Beschäftigten, die dem Bundesprogramm nicht unterfallen, werden durch das Land Zuschüsse von bis zu 9.000,– € und darüber hinaus Kreditleistungen im Umfang von bis zu 30.000,– € zur Verfügung gestellt.

Etwas anders ist die Situation in Hessen. Dort stockt das Land für die schon durch den Bund geförderte Personengruppe die Zuschüsse auf bis zu 20.000,– € auf. Größere Kleinunternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten erhalten in Hessen Zuschüsse im Umfang von bis zu 30.000,– €. Zurückzuzahlen ist in Hessen nichts.

Ausgangspunkt für die Förderüberlegungen des Staates war, dass gerade diese kleinsten und kleinen Unternehmen in besonderem Maße von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie betroffen wären, da für diese in aller Regel Kosten weiterlaufen, Einnahmeausfälle häufig aber nicht durch Kreditaufnahmen kurzfristig ausgeglichen werden können.

Teilweise sind diese Einnahmeausfälle unmittelbar durch staatliches Handeln verursacht, etwa dadurch, dass der Betrieb von Verkaufsgeschäften durch Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz verboten worden ist. Teilweise sind Einnahmeausfälle aber auch dadurch verursacht, dass in der besonderen wirtschaftlichen Situation, in der sich viele Unternehmen aufgrund der Pandemie befinden, Vertragspartner ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen.

Im letzten Fall bestehen in vielen Fällen Leistungs- oder Schadensersatzansprüche gegen die vertragsbrüchig gewordenen Vertragspartner fort. Soweit solche Ansprüche bestehen, mindern sich diese in vielen Fällen aber aufgrund schuldrechtlicher Bestimmungen grundsätzlich dann, wenn der von der Vertragsverletzung Betroffene anderweitigen Ausgleich für die entgangene Vergütung erhält oder aufgrund des schadensstiftenden Ereignisses ihm gleichzeitig ein anderweitiger Vorteil zuwächst.

Solche Anrechnungsbestimmungen enthält etwa das Dienstvertragsrecht in § 615 Satz 2 BGB, im Schadensersatzrecht ist die Vorteilsanrechnung als schadensmindernd anerkannt, aus dem Gesetz – etwa der gesetzgeberisch geregelten Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) – folgt – wie auch an anderer Stelle – sogar die Pflicht, solche Vorteile zu verwirklichen, will man sie nicht gleichwohl angerechnet bekommen.

Die Frage, die sich dabei in Zusammenhang mit den staatlichen Corona-Beihilfen stellt und aktuell auch verschiedentlich aufgeworfen wird, ist, oh dabei auch die staatlichen Soforthilfen, die nicht als Darlehen, sondern als Zuschüsse gewährt werden, bei der Verwirklichung solcher Vergütungs- oder Schadensersatzansprüche anspruchsmindernd anzusetzen sind.

Natürlich existiert insoweit keine obergerichtliche Rechtsprechung, die sich speziell auf die gerade jetzt ausgeschütteten Covid-19-Zuschüsse bezieht. Bis eine solche vorliegt, werden natürlich Jahre ins Land gehen.

Dies bedeutet aber nicht, dass die durch die oben genannten Zuschüsse Begünstigten, die gleichzeitig durch Dritte geschädigt wurden, Jahre abwarten müssten, bevor sie wüssten, was sie insoweit durch die Rechtsprechung voraussichtlich entschieden wird. Fallkonstellationen, in denen Nachteile durch Seuchenereignisse durch öffentliche Subventionen ausgeglichen wurden, gleichzeitig aber individuelle Schadensersatzansprüche bestanden, sind nämlich auch in der Vergangenheit in Deutschland vorgekommen – nicht im Falle von Pandemien, die Menschen betrafen, wohl aber im Falle von Tierseuchen, bei denen die für die Tierseuchenbekämpfung zuständigen Behörden in aller Regel sehr energisch vorgehen, die Betroffenen dann aber jedenfalls für die finanziellen Auswirkungen zu entschädigen pflegen.

Das, was insoweit über den Verbleib der geleisteten Subventionen entschieden ist, beinhaltet gute Nachrichten für die durch Subventionen Begünstigte.

Die diesbezügliche „Leitentscheidung“, auf welche sich auch die durch Folgen der Covid-19-Pandemie und Dritte Geschädigte berufen können, betraf die Folgen der in den Jahren 1996/1997 grassierenden Schweinepest vom Typ „China I“. Kläger des dortigen Verfahrens war das Land Nordrhein-Westfalen, das teilweise eigenen Schaden – die Kosten der in Anwendung des Tierseuchenrechts durchgeführten Massentötungen von Schweinen – teilweise aus übergegangenem Recht den Schaden der betroffenen Landwirte – im Wesentlichen den erlittenen Wertverlust -gegen eine Person geltend machte, welche zur Ausbreitung der Schweinepest erheblich beigetragen hatte.

Insoweit stand nach einem im Instanzenzug bestätigten Grundurteil die Haftung des Beklagten als Verursacher fest, als das Landgericht Paderborn sich in seinem Urteil zur Höhe der Schadensersatzansprüche mit der Frage auseinandersetzen musste, ob denn Beihilfen, die in diesem Falle die Europäische Union als „Ausgleichszahlungen“ geleistet hatte, dabei anspruchsmindernd zu berücksichtigen seien, da sie ja auf dem gleichen Ereignis beruhten (LG Paderborn, Urteil vom 15.12.2006, 2 O 53/00).

Das LG Paderborn hat dabei sehr klar eine Anrechnung solcher Beihilfen auf den Schadensersatzanspruch verneint. Es hat dabei auf den in verschiedenen Rechtsnormen niedergelegten Rechtsgedanken abgestellt, wonach Schadensersatzansprüche nicht dadurch ausgeschlossen sein sollen, dass der Geschädigte von Dritter Seite unterhalten wird (so in § 843 Abs. 4 BGB, aber auch in § 13 StVG oder § 142 UWG). Das LG Paderborn stellt dabei insbesondere auf den Zweck der Entschädigungsleistung ab und hebt dabei hervor, dass solche Beihilfen Ausdruck globaler Fürsorge wären und dabei gerade nicht bezweckten, einen Schädiger zu entlasten.

Diese Rechtsprechung ist im Instanzenzug durch das Oberlandesgericht Hamm und den Bundesgerichtshof bestätigt worden. Das OLG Hamm hat in seinem Urteil vom 21.09.2012 (I-26 U 15/07) ausdrücklich ebenfalls auf den Zweck der Subvention abgestellt, die es gerade nicht sei, Ansprüche gegen Dritte zu erfüllen. Der Bundesgerichtshof hat eine gegen diese Argumentation gerichtete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschluss vom 11. März 2014 (VI ZR 30/12) zurückgewiesen.

Mit Blick auf diese Rechtsprechung zur Anrechnungsfreiheit von Beihilfen nach Maßnahmen nach dem Tierseuchenrecht, sollten auch Begünstigte von öffentlichen Finanzhilfen nach Maßnahmen nach dem Infektionsschutzrecht ein hohes Maß an Sicherheit besitzen, dass gewährte Zuschüsse, da auch diese nicht den Zweck haben, bestehende Ansprüche gegen Dritte zu erfüllen, nicht gegen vertragliche Erfüllungs- oder Schadensersatzansprüche eingewandt werden können. Auch hier dürfte sich nämlich kaum begründen lassen, dass Leistungszweck der öffentlichen Hand die Entlastung von Dritten ist.

Zusätzlich ergäbe sich hier ja das Problem, dass die Höhe der staatlichen Zuschüsse nicht dem bei den Betroffenen entstandenen Gesamtschaden entspricht und den Zuschüssen eine Ausgleichsfunktion für einen konkreten Schaden schon deshalb nicht zukommen kann, da viele der Betroffenen nicht nur durch ein, sondern möglicherweise durch viele im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie stehende Vertragsverletzungen Dritter geschädigt sein können. Bereits diese Überlegung sollte deutlich machen, dass man den staatlichen Zuschüssen vorliegend keine Ausgleichsfunktion für bestimmte Forderungen beimessen kann.

Betroffene Klein- oder Kleinstunternehmer, die einen staatlichen Covid-19-Zuschuss erhalten, sollten diesen mithin behalten dürfen und sich diesen nicht auf Schadensersatzansprüche gegen Dritte anrechnen lassen müssen.

Jens van Boekel