Hier informiert Rechtsanwältin Jessica Hamed über den aktuellen Stand in den von ihr geführten „Corona-Verfahren“:
- In Bayern haben wir am 12. Mai 2020 nach wochenlangem Warten und Anträge umstellen einen – leider ablehnenden – Beschluss im Eilverfahren erhalten (https://www.ckb-anwaelte.de/download/Anonymisiert_mk-moegele_vgh_beschluss1.pdf). Zuletzt haben wir den Antrag auf die Beanstandung der „Maskenpflicht“ beschränkt, um überhaupt eine Entscheidung im Eilrechtsschutz zu erhalten. Unserer Ansicht nach ist die Entscheidung nicht überzeugend und wir sehen keine Entkräftigung unserer Argumente (https://www.ckb-anwaelte.de/download/Abaenderungsantrag_VGH-Bayern_7.5..pdf). Befremdlich ist unseres Erachtens die folgende Anmerkung des Senats:
„Zwar mag es sein, dass gerade aus gesundheitlichen Gründen von dem Tragen einer MNB befreite Personen dadurch einem erhöhten sozialen Druck ausgesetzt sein könnten. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch nicht, auf den Nutzen durch das Tragen einer MNB generell zu verzichten. Ohnehin sollten Menschen, die an einer akuten Atemwegserkrankung leiden, unbedingt zu Hause bleiben und den Kontakt zu anderen meiden.“
Der Senat geht damit von der falschen Annahme aus, dass nur eine akute Atemwegserkrankung von der Maskenpflicht befreien würde. Tatsächlich fallen darunter aber z.B. Menschen mit Allergien und chronischen Erkrankungen wie Asthma aber auch solche Menschen mit einer Angststörung oder einer Behinderung.
- In Hessen haben wir am 4. Mai 2020 für zwei Schüler*innen einen Normenkontrollantrag sowie einen Antrag auf einstweilige Anordnung gegen die Schulschließung gestellt (https://www.ckb-anwaelte.de/download/2020000341JHsn14385-.pdf). Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, ist unklar.
Der Eilantrag einer Viertklässlerin gegen die Schulöffnung am heutigen Tag wurde von der Antragstellerin nach Medienberichten zurückgenommen (https://www.hna.de/kassel/corona-virus-sti1424368/corona-coronavirus-hessen-kassel-schule-grundschule-oeffnung-viertklaessler-gericht-zr-13651433.html) .
- Über unseren inzwischen auch mehrfach umgestellten Antrag in unserem ersten hessischen Verfahren wurde letztlich nicht entschieden. Unsere Mandant*innen warteten so im Ergebnis drei Wochen vergebens auf eine „Eil-“entscheidung. Wir haben aufgrund dessen, dass eine neue Verordnung die alten ersetzte, einen neuen Antrag gestellt.
- In Schleswig-Holstein hat der Senat auf unseren Antrag auf einstweilige Anordnung (https://www.ckb-anwaelte.de/download/Antrag_24.4._schleswig-holstein.pdf) die Erwiderungsfrist für die Gegenseite bereits über die Geltungsdauer der angegriffenen Verordnung hinaus gesetzt, sodass der effektive Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren bereits hierdurch vereitelt wurde. Am 24. April 2020 reichten wir den Antrag ein, der Antragsgegner erhielt vom Gericht eine Erwiderungsfrist bis zum 8. Mai 2020; die Verordnung galt allerdings nur bis zum 3. Mai 2020. Trotz des Antragsumfangs von 203 Seiten wäre es dem Antragsgegner unserer Ansicht nach zuzumuten gewesen, innerhalb weniger Tage hierzu Stellung zu nehmen.
- In Rheinland-Pfalz haben wir am 28. April 2020 in Bezug auf die 4. Corona-Bekämpfungsverordnung Klage zum Verwaltungsgericht Mainz erhoben, ferner haben wir einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt (https://www.ckb-anwaelte.de/download/Festellungsklage_Verwaltungsgericht_Mainz_270420.pdf ). Dem Klagegegner wurde eine Erwiderungsfrist bis zum 4. Mai 2020 eingeräumt, worauf wir eine Verkürzung auf den 30. April 2020 beantragten, was abschlägig entschieden wurde. Am selben Tag hat das Land Rheinland-Pfalz eine neue Verordnung verkündet und angeordnet, dass die zu dem Zeitpunkt geltende Verordnung statt mit Ablauf es 6. Mai nunmehr mit Ablauf des 2. Mai außer Kraft gesetzt wird. Am 1. Mai beantragten wir daher (erfolglos) eine Entscheidung bis zum 2. Mai. Damit ist auch hier kein effektiver Rechtsschutz gewährt worden. Mit dieser Entwicklung haben allerdings weder das Gericht noch wir rechnen können.
Wir wollten nun gegen die 5. Corona-Bekämpfungsverordnung vorgehen doch auch dieses Mal wurde die Geltungsdauer seitens des Ministeriums verkürzt, sodass wir am 11. Mai einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die 6. Corona-Bekämpfungsverordnung gestellt haben (https://www.ckb-anwaelte.de/download/Antrag_11052020%20VerwG_Mainz.pdf). Am 15. Mai erwiderten wir auf die Stellungnahme des Antragsgegners (https://www.ckb-anwaelte.de/download/2020000365JHJH835-VerwaltungsgerichtMainz.pdf). Es wäre mit einer Entscheidung heute oder morgen zu rechnen gewesen.
Da der Antragsgegner aber am Freitag, den 15. Mai erneut die die Geltungsdauer der Verordnung kurzfristig von 11 Tage auf 5 Tage, also bis Sonntag, 17. Mai, statt bis zum 24. Mai. verkürzte, wurde faktisch, trotz zügiger Verfahrensführung durch das Verwaltungsgerichts Mainz, die Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die 6. Corona-Bekämpfungsverordnung unmöglich gemacht.
Wir haben sodann am 16. Mai unseren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgeändert und greifen nun die inhaltsgleichen Bestimmungen der 7. Corona-Bekämpfungsverordnung (auch die sonstigen Regelungen sind im Kern gleichgeblieben, sodass die bloße Abänderung der 6. Corona-Bekämpfungsverordnung angemessener gewesen wäre) an (https://www.ckb-anwaelte.de/download/Vg_Mainz_Aenderungsantrag_16.05.20.pdf).
Wir halten die Änderung des Eilantrags für zulässig und gehen davon aus, dass das Verwaltungsgericht Mainz unsere Ansicht teilt.
Eine andere Ansicht würde dazu führen, dass der Antragsgegner, der gleichzeitig Verordnungsgeber ist, faktisch eine Entscheidung des Gerichts im Wege des Eilrechtsschutzes durch den fortwährenden Erlass neuer Verordnungen dauerhaft verhindern könnte. Man würde so zulassen, dass dem Antragsteller damit gewissermaßen auf der „Zielgeraden“ von dem Antragsgegner der Antragsgegenstand jederzeit aus der Hand geschlagen werden könnte.
Alleine die Möglichkeit eines derartigen Handelns durch den Antragsgegner wäre als zutiefst undemokratisch zu beurteilen und wäre mit den demokratischen und rechtstaatlichen Grundsätzen, auf denen die Bundesrepublik Deutschland und auch das Land Rheinland-Pfalz fußen, nicht in Einklang zu bringen.
In allen Verfahren haben wir die inzwischen (im Internet zum Teil veröffentlichte) Vollversion der Risikoanalyse eines BMI-Mitarbeiters eingegeben und beantragt, dass das Land hierzu Stellung nehmen, bzw. es seine eigene Risikoanalyse bzw. Risikoabwägung offenlegen soll.
Unseres Erachtens handelt es sich – losgelöst von der Frage, wie das Vorgehen des Mitarbeiters rechtlich zu bewerten ist – um eine ausgewogene Analyse, die sich ausführlich mit dem verfügbaren Datenmaterial auseinandersetzt; es handelt sich insoweit um eine ernstzunehmende substantiierte Auseinandersetzung mit den in unseren Verfahren relevanten Fragen. Die Grundthese der Analyse lautet: Es sterben viele Menschen infolge des Lockdowns – Corona hingegen ist von durchschnittlicher Gefahr.
Jüngst haben sich im Rahmen einer Pressemitteilung auch die Wissenschaftler*innen zu Wort gemeldet, die den Mitarbeiter in seiner Analyse unterstützt haben, darunter auch Professor Schirmacher, der Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ist. In deren Pressemitteilung vom 11. Mai 2020 heißt es u.a.:
„Der BMI Mitarbeiter hat anhand unserer Arbeit eine Einschätzung vorgenommen und das Ergebnis an die zuständigen Stellen weitergeleitet. […] Dass dies aufgrund der Kürze der Zeit nur der Anfang einer noch umfangreicheren Prüfung sein kann, steht außer Frage. Aber unsere Analyse bietet unseres Erachtens eine gute Ausgangslage für das BMI und die Innenministerien der Länder, den möglichen Nutzen der Schutzmaßnahmen gegenüber dem dadurch verursachten Schaden gut abzuwägen. Unserer Auffassung nach müssten die adressierten Fachbeamten aufgrund dieses Papiers eine sofortige Neubewertung der Schutzmaßnahmen einleiten, für die wir ebenfalls unseren Rat anbieten.“
Wir werden in allen Verfahren darauf dringen, zügig auch die Hauptsacheverfahren zu betreiben und die Akten des Landes beizuziehen. Das Verwaltungsgericht Mainz hat bereits die Akten beim Antragsgegner angefordert.
Es ist uns nach wie vor in keinem Verfahren offengelegt worden, ob es eine dokumentierte Risikoabwägung gibt und was überhaupt die Entscheidungsgrundlage der Regierungen für ihr politisches Handeln darstellt. Bislang gab es lediglich lapidare Hinweise auf die Einschätzung der Gefährdungslage durch das RKI. Das RKI ist nicht der Verordnungsgeber. Während die Politik eine ausgewogene Entscheidung unter Berücksichtigung aller Belange und Risiken treffen muss, erschöpft sich die Aufgabe des RKI darin, alleine vom Gedanken des Seuchenschutzes aus zu argumentieren.
Allmählich ist es unserer Ansicht nach nicht mehr hinzunehmen, dass die Verordnungsgeber keine Daten, Prognosen etc. offenlegen. Wir werden diesen Aspekt nunmehr mit Nachdruck in allen Verfahren verfolgen.
Den weiteren Verfahrensgang können Sie hier: https://www.ckb-anwaelte.de/aktuelle-corona-verfahren/ mitverfolgen