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Coronavirus: Befreiung von der Maskenpflicht am Arbeitsplatz – Ist ein aussagekräftiges Attest erforderlich?

Ein Beitrag von Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Nadia Thibaut, Bernard Korn & Partner, Wiesbaden/Mainz/Bad Kreuznach.

Die sich seit Anfang des Jahres 2020 auch in Deutschland immer weiter ausbreitende Coronapandemie hat nicht nur starke Einschränkungen im Privatleben zur Folge, sondern sich auch erheblich auf das Arbeitsleben ausgewirkt. Soweit vorgeschrieben müssen Arbeitgeber Hygienemaßnahmen einhalten. So müssen beispielsweise Möglichkeiten der Handdesinfektion und Einrichtungen für ein regelmäßiges Händewaschen zur Verfügung gestellt, Mindestabstände eingehalten und da, wo erforderlich, Schutzmasken getragen werden. Soweit aktuell Hygienemaßnahmen vorgeschrieben sind, muss der Arbeitgeber die Einhaltung auch überwachen. Bei Verstößen drohen ihm empfindliche Strafen und Bußgelder.

Insbesondere das Tragen von Schutzmasken führt derzeit nicht selten zu Unmut und wirft viele Fragen auf. Maskenbefürworter treffen auf Maskengegner oder besser gesagt: auf Personen, denen das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes (fortan auch: Corona-Schutzmaske, Schutzmaske oder Maske) aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist.

 

1. Pflicht des Arbeitnehmers zum Nachweis der Befreiung von der Maskenpflicht

Behauptet ein Arbeitnehmer, aus gesundheitlichen Gründen eine am Arbeitsplatz vorgeschriebene Maske nicht tragen zu können, kann der Arbeitgeber ein ärztliches Attest verlangen, welches dies belegt. Dieser Aufforderung hat der Arbeitnehmer nachzukommen.

 

2. Konsequenzen bei Nichtvorlage eines Attests

Legt der Arbeitnehmer kein ärztliches Attest vor, das ihn von der Maskenpflicht befreit, und trägt er trotz entsprechender Aufforderung des Arbeitgebers die vorgeschriebene Schutzmaske nicht, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer abmahnen und ihm – bei wiederholten Verstößen – verhaltensbedingt kündigen.

 

3. Pflicht zur Vorlage eines „aussagekräftigen“ Attests?

Um arbeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden legen daher derzeit viele Arbeitnehmer ärztliche Atteste vor, die ihnen eine Befreiung von der Maskenpflicht bescheinigen. Das Attest allein reicht aber dem einen oder anderen Arbeitgeber nicht. Er möchte die Gründe der Befreiung erfahren.

Arbeitsgerichtliche Entscheidungen zur Maskenpflicht am Arbeitsplatz liegen, soweit ersichtlich, derzeit noch nicht vor.

Jüngst haben jedoch verschiedene Verwaltungsgerichte (vgl. bspw. OVG Münster, Beschluss vom 24. September 2020, Az. 13 B 1368/20; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 10.09.2020, Az. 5 L 757/20.NW; VG Würzburg, Beschluss vom 16. September 2020, Az. W 8 E 20.1301) entschieden, dass ein Schüler, dem das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes nicht möglich ist, ein „aussagekräftiges ärztliches Attest“ vorlegen müsse. Aus dem Attest müsse sich regelmäßig nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung in der Schule alsbald zu erwarten seien und woraus diese im Einzelnen resultierten. Soweit relevante Vorerkrankungen vorlägen, seien diese konkret zu bezeichnen. Darüber hinaus müsse im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt sei. So die Verwaltungsgerichte.

Hierauf gestützt verlangen derzeit viele Arbeitgeber von Arbeitnehmern, die ein ärztliches Attest vorgelegt haben, das sie von der Maskenpflicht befreit, ebenfalls ein „aussagekräftiges Attest“, das die Gründe offenlegt, warum der Arbeitnehmer keinen Mund-Nase-Schutz tragen kann. Vor allem, wenn die Befreiung von der Maskenpflicht psychische Ursachen hat, ist der Arbeitnehmer jedoch regelmäßig nicht bereit, die Gründe der Befreiung – und damit die Diagnose seiner Grunderkrankung – offenzulegen.

Sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer stellt sich in dieser Situation die Frage: Muss der Arbeitnehmer die Gründe der Befreiung von der Maskenpflicht offenlegen oder nicht?

Bei der Beantwortung dieser Frage sind meiner Auffassung nach die Grundsätze zu beachten, die im Falle der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit gelten.

Im Falle einer Erkrankung („normale“ Arbeitsunfähigkeit) treffen den Arbeitnehmer nach § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) folgende Pflichten: Er muss dem Arbeitgeber seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzeigen und die voraussichtliche Dauer mitteilen, sobald er Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit hat. Außerdem muss die Arbeitsunfähigkeit spätestens nach Ablauf von drei Werktagen nachgewiesen, also ärztlich bescheinigt werden.

Die für den Arbeitgeber vorgesehene Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthält keine Auskunft über die Diagnose, also den Grund der Arbeitsunfähigkeit. Diese Information erhalten nur der Arbeitnehmer selbst und seine Krankenkasse.

Der Arbeitnehmer ist von Gesetzes wegen also nicht verpflichtet, über Art und Ursache seiner Erkrankung Auskunft zu geben. Diese Information betrifft seine Privat- bzw. sogar seine Intimsphäre, die – jedenfalls grundsätzlich – dem Arbeitgeberinteresse an einer Offenlegung der Diagnose vorgeht.

Einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zudem ein hoher Beweiswert zu. Sie begründet nach der Rechtsprechung eine tatsächliche Vermutung für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Das wiederum hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer mit der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst einmal nachgewiesen hat, dass er arbeitsunfähig ist. Will der Arbeitgeber trotz Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen, weil er den Arbeitnehmer für arbeitsfähig hält, muss er erst einmal konkrete Tatsachen vortragen, die den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern.

Diese für die Vorlage einer „normalen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“, die eine Erkrankung und die vollständige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers attestiert, geltenden Grundsätze finden meiner Auffassung nach auch auf den Fall der Vorlage eines von der Maskenpflicht befreienden ärztlichen Attests Anwendung. Anderenfalls würde der Grundsatz umgangen, dass der Arbeitnehmer von Gesetzes wegen grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Grund seiner Arbeitsunfähigkeit offenzulegen.

Dies deutet auch das OVG Münster in seiner Entscheidung vom 24.09.2020, Aktenzeichen 13 B 1368/20 (zur Maskenpflicht bzw. der Vorlage eines von der Maskenpflicht befreienden Attests im Schulunterricht) an. Das OVG Münster führt insofern das Folgende aus:

„Die Antragsteller haben auch nicht glaubhaft gemacht, dass medizinische Gründe vorliegen, die eine Befreiung von der sog. Maskenpflicht auf dem Schulgelände und in Schulgebäuden gemäß § 1 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 CoronaBetrVO vom 15. September 2020 (GV. NRW. S. 871) rechtfertigen.

Nach § 1 Abs. 4 CoronaBetrVO kann die Schulleiterin oder der Schulleiter aus medizinischen Gründen von der Maskenpflicht des Absatzes 3 Satz 1 befreien. Die Gründe sind nach Satz 2 Halbsatz 1 der Regelung auf Verlangen nachzuweisen. Um der Schule eine sachgerechte Entscheidung über die Befreiung von der sog. Maskenpflicht aus medizinischen Gründen zu ermöglichen, bedarf es für diesen Nachweis grundsätzlich der Vorlage eines aktuellen ärztlichen Attests, das gewissen Mindestanforderungen genügen muss. Aus dem Attest muss sich regelmäßig jedenfalls nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Schule alsbald zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren. Soweit relevante Vorerkrankungen vorliegen, sind diese konkret zu bezeichnen. Darüber hinaus muss im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist.

 

Dabei ist entgegen der Ansicht der Antragsteller die rechtliche Situation nicht vergleichbar mit der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegenüber einem Arbeitgeber. Vorliegend ist Ziel der Antragsteller, mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen einen rechtlichen Vorteil zu erwirken, nämlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. In derartigen Konstellationen muss die Verwaltung – hier die Schulleitung – bzw. das Gericht, wie auch in anderen Rechtsgebieten, aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Angaben in den ärztlichen Bescheinigungen in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen selbständig zu prüfen.“

Das OVG Münster hat also die unterschiedliche Ausgangssituation erkannt und explizit darauf hingewiesen, dass die Situation Schüler/Schule nicht mit der Situation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vergleichbar ist.

 

4. Fazit

Meiner Auffassung nach bleibt es im Arbeitsverhältnis daher dabei, dass der Arbeitnehmer seine Befreiung von der Maskenpflicht durch ein ärztliches Attest nachweisen muss. Legt er ein solches Attest vor, gilt zunächst die Vermutung seiner Richtigkeit. Hat der Arbeitgeber Zweifel an der Richtigkeit des ärztlichen Attests, muss er konkrete Anhaltspunkte vortragen, weshalb er Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Attests hat. Insofern gelten dieselben Grundsätze, die hinsichtlich der Beweiskraft der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gelten. Anderenfalls kann der Arbeitgeber keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen aus dem Nichtragen der Maske ziehen.

 

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