Corona-Verordnung: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof hält Erfolgsaussichten im Normenkontrollverfahren nunmehr für offen

Mit Beschluss vom 14.04.2020 scheiterte auch das Eilverfahren, das Rechtsanwältin Jessica Hamed gemeinsam mit ihrem Kollegen Marcel Kasprzyk in Bayern führt; die Verordnung bleibt weiter in Kraft.

„Unser Antrag wurde zwar abgelehnt, aber der Senat hält inzwischen – in Abkehr zu dessen Entscheidung vom 30.03.2020[1] – die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nunmehr für offen. Noch vor zwei Wochen – also vor der Verlängerung der Maßnahmen um weitere zwei Wochen – stellte er fest, dass sich der dort gestellte Normenkontrollantrag „voraussichtlich als unbegründet“ erweisen werde. Das ist schon einmal ein kleiner Erfolg,“ kommentiert unsere Rechtsanwältin Jessica Hamed. Weiter führt sie aus:

„Während der Senat am 30.03.2020 noch festhielt, dass sich für die weitgehenden Grundrechtseingriffe in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine „hinreichende gesetzliche Grundlage“ finden ließe, ist nunmehr in unserem Beschluss zu lesen: „Weil jedoch die BaylfSMV [Corona-Verordnung] in erheblichen Maß in zahlreiche Grundrechte der Bürger eingreift […] und die Überprüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit […] und die ihrer Ermächtigungsgrundlage […] nur nach eingehender Prüfung in einem Hauptsacheverfahren erfolgen kann, sind die Erfolgsaussichten offen“.

Der Senat nahm im Zusammenhang mit der Frage, ob es für die massiven Grundrechtseingriffe überhaupt eine ausreichende Rechtsgrundlage gibt, auf eine noch nicht veröffentlichte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 09.04.2020[2] Bezug. Der dortige Senat meldete  Zweifel daran an, dass die o.g. Normen „eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die landesweite Schließung bestimmter Arten von privat betriebenen Dienstleistungsbetrieben und Verkaufsstellen durch eine Rechtsverordnung“ seien. [3] Zweifel ergaben sich für den Senat aus dem Argument, welches wir in beiden unserer Verfahren als zentrales Argument gegen die Tauglichkeit der angeblichen Ermächtigungsgrundlage angeführt haben: nämlich dem Parlamentsvorbehalt.“

Der Antragsteller Thomas Mögele gibt sich leicht hoffnungsvoll: „Nachdem ich seit Wochen nicht glauben kann, in welchem Land ich lebe, bin ich froh, dass wenigstens die Gerichte auf neue Entwicklungen reagieren und die Zeit genutzt haben, sich beispielsweise vertieft mit den Fragen der Rechtsgrundlage auseinanderzusetzen. Etwas das Markus Söder und die ganze bayerische Regierung versäumt haben. Und das sage ich als CSU-Mitglied!“

„Doch“, so Jessica Hamed, „das ist nur ein sehr kleiner Schritt in die richtige Richtung. Wir haben verloren und damit ist niemandem, der sich in Bayern aufhält und massive Grundrechtseingriffe mit allen damit einhergehenden Folgen erdulden muss, geholfen. Ersichtlich stößt hier der Eilrechtsschutz wie er momentan von den Gerichten in Bezug auf die „Corona-Verordnungen“ betrieben wird, an seine Grenzen.“

Rechtsanwältin Jessica Hamed führt weiter aus: „Obwohl es die schwerwiegendsten Eingriffe sind, die wir in der Bundesrepublik Deutschland je durchleben mussten, ziehen sich im Ergebnis alle Gerichte auf die sog. „Folgenabwägung“ unter dem Hinweis darauf, dass die aufgeworfenen Fragen abschließend erst im Hauptsacheverfahren geprüft werden könnten, zurück. Das ist nicht hinnehmbar bei so gravierenden und folgenreichen Grundrechtseingriffen; ersichtlich kommt hier eine Entscheidung in der Hauptsache für all diejenigen, die ihre wirtschaftliche Existenz verlieren, häusliche Gewalt erleiden, mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, zusehen müssen, wie ihre Kinder unter der Situation leiden, die ihre medizinischen Behandlungen zurückstellen müssen, ihre Angehörigen in Pflegeheimen nicht mehr sehen können usw., zu spät.

Es liegt auf der Hand, dass eine nur summarische Prüfung und das Ausweichen auf eine bloße Folgenabwägung der hiesigen Ausnahmesituation nicht gerecht werden.

Der Rechtsschutz im Eilverfahren läuft in diesem Zusammenhang damit faktisch ins Leere, was aus rechtsstaatlicher Sicht äußerst problematisch ist.“

Ich halte die ergriffenen Maßnahmen schon aufgrund der Datenlage, die meine Rechtsanwält*innen unter Verweis auf renommierte Wissenschaftler*innen wie Gerd Antes[4] und John Ioannidis[5] herausgearbeitet haben, für evident unverhältnismäßig. Die in Aussicht gestellten „Lockerungen“ – als wären wir Gefangene! – sind meines Erachtens kaum als solche zu bezeichnen. Sollte es dabeibleiben, werde ich mich weiter für die Einhaltung unserer Rechtsordnung und für den Bestand unserer Freiheitsrechte einsetzen. Das bin ich mir und unserer Geschichte schuldig. Ich würde es mir nie verzeihen, nicht dagegen gehalten zu haben, konstatiert Thomas Mögele abschließend.