Mit breiter Mehrheit hat der Bundestag am vergangenen Freitag die Streichung des 219a StGB beschlossen. § 219a StGB verbietet die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche.
Neben der Streichung des 219a StGB sieht der Bundestagsbeschluss vor, dass Urteile gegen Ärztinnen und Ärzte, die seit 3. Oktober 1990 auf Basis des § 219a StGB ergangen sind, aufgehoben werden. Für die Streichung des 219a StGB stimmten die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP sowie die Linksfraktion. Union und AfD votierten dagegen. Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP nannte die Abschaffung überfällig. Es sei höchste Zeit, sagte Buschmann in der abschließenden Debatte im Bundestag. Jede Verurteilung nach § 219a StGB sei eine Verurteilung zu viel. Wenn eine Frau sich mit der schwierigen Frage eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs befasse, suche sie heutzutage in aller Regel zunächst im Internet nach Informationen, so Buschmann. Dort aber könne „jeder Troll und jeder Verschwörungstheoretiker“ Dinge zu dem Thema verbreiten; hochqualifizierten Ärztinnen und Ärzten sei dies auf Grund des § 219a StGB jedoch verboten. Dies sei „absurd und aus der Zeit gefallen“ und deshalb werde dieser Zustand mit der Streichung des § 219a StGB nun beendet.
Anlass für die Abschaffung des Werbeverbots dürfte u.a. die Verurteilung einer Allgemeinmedizinerin in 2017 gewesen sein. Diese hatte auf der Website ihrer Praxis neben anderen medizinischen Leistungen auch die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen gegen Honorar angeboten und dazu weitergehende Informationen bereitgestellt. Das Amtsgericht Gießen erkannte hierin ein verbotenes Werben für den Abbruch der Schwangerschaft gem. § 219a Abs. 1 Nr. 1 StGB.
Das in § 219a StGB enthaltene Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche richtet sich nicht gegen den Schwangerschaftsabbruch als solchen, sondern möchte verhindern, dass der Schwangerschaftsabbruch bagatellisiert und kommerzialisiert wird. § 219a StGB flankiert das den Regelungen zum straflosen Schwangerschaftsabbruch zugrundeliegende Beratungskonzept, indem Schwangere vor ihrer Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch eine von Erwerbsinteressen freie Beratung und Information nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz erhalten und zunächst über Alternativen zur Abtreibung aufgeklärt werden sollen. § 219a StGB bezweckt damit mittelbar den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des ungeborenen Lebens.
Bestand ein Informationsdefizit?
Tatsächlich war es Ärzten auch nach der am 01.01.2021 in Kraft getretenen Fassung des § 219a StGB nicht verboten, darauf hinzuweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche unter Beachtung von § 218a vornehmen (vgl. § 219a Abs. 4 Nr. 1 StGB). Darüber hinaus existiert bereits eine im Internet frei zugängliche Liste der Bundesärztekammer, die über Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen informiert, welche Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und darüber, welche Methode hierbei zum Einsatz kommt. Ärzten war es gem. § 219a Abs. 4 Nr. 2 StGB auch erlaubt, auf diese Informationen zu verweisen. Letztlich war es Ärztinnen und Ärzten auch nach bisheriger Rechtslage nicht verwehrt, auf persönliche Nachfrage der Schwangeren über Schwangerschaftsabbrüche und die hierbei verwendeten Methoden zu informieren. Das von den Befürwortern zur Abschaffung des § 219a StGB in Stellung gebrachte, angebliche Informationsdefizit der Schwangeren ist vor diesem Hintergrund wenig plausibel.
Auf der anderen Seite erscheint aber auch die Befürchtung übertrieben, dass die nunmehr eingetretene Straflosigkeit der Bewerbung des Anbietens von Schwangerschaftsabbrüchen dazu führt, dass diese so „aggressiv beworben“ werden, dass es infolgedessen zu einer Zunahme von Schwangerschaftsabbrüchen kommt.
Keinen Einfluss hat die Änderung jedenfalls auf die unverändert fortbestehenden Voraussetzungen für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch.