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Leserinnenbrief vom 30.07.2021 zum FAZ-Interview vom 29.07.2021 mit Prof. Dr. Armin Falk „Klappe halten, impfen lassen”

Sehr geehrte Damen und Herren,

mich bestürzt, dass Sie den unsäglichen, beschämenden und unwissenschaftlichen Äußerungen von Prof. Dr. Armin Falk unwidersprochen einen solchen Raum gegeben haben. Den Äußerungen muss ich – alleine schon wegen des autoritären und sogar vulgären Tons, der einem Wissenschaftler unwürdig ist – aufs Deutlichste widersprechen.

Mindestens genauso beschämend ist aber bedauerlicherweise auch die Interviewführung von Johannes Pennekamp. Hetze statt Argumente – ein tiefer Fall der renommierten FAZ.

Kurz zum Inhalt (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

1. gerade bei der Delta-Variante unterscheidet sich die Viruslast leider nicht bei Geimpften und Ungeimpften – die Impfung ist daher lediglich Eigenschutz https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-coronavirus-dienstag-223.html#US-Behoerde-empfiehlt-wegen-Delta-wieder-Maskentragen

Falk hingegen meint: „ Sich nicht impfen zu lassen, hat nichts mit Rationalität zu tun, sondern einfach nur mit Eigennutz“, er meint man schütze nicht nur sich selbst, sondern auch andere.

Der Interviewer hätte auf dieses Problem, dass eine Herdenimmunität schlicht nicht möglich ist, hinweisen müssen. So bereits Streeck zu einem Zeitpunkt, zu dem die vorgenannten amerikanischen Erkenntnisse noch gar nicht vorlagen: https://www.rnd.de/gesundheit/virologe-streeck-wir-erreichen-mit-diesen-impfstoffen-keine-herdenimmunitaet-42ZY777OCRFXBEVG5KJYGONI4I.html; bzw. seit Monaten ist bekannt, dass es leider keine sog. „sterile Immunität“ mit den zugelassenen Impfstoffen gibt.

2. Weil die Nebenwirkungen des Impfens überschaubar und der Nutzen für die Gesellschaft riesig sei, forderte Falk eine „Impfverpflichtung“. Falk versäumt es hier etwa nach Altersgruppen zu differenzieren. Gerade junge Menschen U40 sollten ausweislich der geringen Gefahr durch Covid aber den durchaus beträchtlichen möglichen Nebenwirkungen bis zum Tod eine ausführliche Risiko-Nutzen-Analyse machen. Stattdessen behauptet er, dass Impfen sei eine „geringfügige Einschränkung“ mit „offenbar geringfügigen Nebenwirkungen“. Hier hätte er wenigstens mit den Erkenntnissen aus Israel bzgl. der – wenngleich seltenen – gravierenden Nebenwirkungen, die insbesondere bei jungen Männern auftraten, hinweisen müssen: https://www.n-tv.de/panorama/Auch-WHO-vermutet-Zusammenhang-mit-Herzproblemen-article22673691.html. Hier einen undifferenzierten „Impfbefehl“ auszusprechen ist offensichtlich medizinisch unhaltbar. Richtigerweise hätte man ihn (wenigstens) damit konfrontieren müssen.

3. Falk wirbt zudem offen für einen Ausschluss Ungeimpfter aus der Gesellschaft und schlägt sogar eine Diskriminierung dieser in einer Triagesituation vor.

Denn für ihn sind diese Menschen „Trittbrettfahrer der übelsten Sorte“, die auch als solche „gebrandmarkt“ werden sollten. Er zieht einen Vergleich zur Steuerhinterziehung.

Das ist derart abstrus, dass es nicht erwiderungsfähig ist. Wie können Sie so etwas ernsthaft unhinterfragt stehen lassen?

4. Er schlägt – als Gipfel des Fremdschämens – ein „Opt-out“ Modell für die Impfung vor, dh man müsste aktiv einer Impfung widersprechen, sonst wird man geimpft. Wie genau stellt er sich die Umsetzung vor? Zwangsimpfung weil man vergessen hat, zu widersprechen? Prof. Dr. Falk täte gut daran, sich mit der Geschichte des Grundgesetzes auseinanderzusetzen, ein Anfang könnte dieser Beitrag sein: https://www.spiegel.de/geschichte/geschichte-des-grundgesetzes-der-staat-soll-nicht-alles-tun-koennen-a-2b4c454a-82f6-496d-b52b-864c6e8b1cf7

Prof. Dr. Falk hat mit diesen verbalen Entgleisungen nicht nur eine Fülle an Unwissen, sondern auch ein zutiefst bedenkliches Menschenbild offenbart. Damit hat er sich aus dem sachlichen Diskurs verabschiedet. Was haben Sie sich dabei gedacht, ihn derartigen populistischen und unwissenschaftlichen Unsinn von sich geben zu lassen? Weiß es Ihr Redakteur einfach nicht besser? Falls dem so ist, dann gebietet es die journalistische Sorgfaltspflicht, Behauptungen zu recherchieren oder belegen zu lassen.

Ich bin zutiefst erschüttert, so etwas in der FAZ zu lesen. Stammtischniveau, das man kaum unterbieten kann. Ich hoffe sehr, dass Sie öffentlich zu dem Beitrag Stellung beziehen und die vielen falschen Behauptungen richtigstellen.

Abschließend hoffe ich auch darauf, dass sich sowohl die Leopoldina als auch die Universität Bonn von Falks Äußerungen klar distanziert.

Wenn die so zerrüttete Gesellschaft eines in der Corona-Krise nicht braucht, dann Menschen, die eine weitere Spaltung mit einer erschreckend verrohten Sprache vorantreiben und Menschen gegeneinander aufhetzen. Aus den Worten von Falk spricht mE blanker Hass, den vermutlich nicht nur ich als besorgniserregend empfinde.

Als Medium mit einer derartigen Reichweite haben Sie eine große Verantwortung, die Sie bedauerlicherweise im höchsten Maße enttäuscht haben. Es liegt nun an Ihnen, den eingetretenen Schaden so gering wie möglich zu halten bzw. halbwegs wieder gut zu machen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Jessica Hamed
Rechtsanwältin